Spannende Lebensgeschichte von Louis Braille im Mittelpunkt

Behindertenbeirat: Autor präsentiert Roman „Eine Fingerkuppe Freiheit“ - Zu eine Autorenlesung mit Thomas Zwerina, dem Autor des 2024 erschienenen, erfolgreichen Werkes „Eine Fingerkuppe Freiheit“, hatten der Behindertenbeirat des Landkreises Alzey-Worms sowie die Sozialabteilung der Kreisverwaltung in Kooperation mit der Buchhandlung C. Machwirth Schmitt& Hahn in den Sitzungssaal des Kreishauses eingeladen. Landrat Heiko Sippel dankte für das großartige Engagement: „Es ist wichtig, die Öffentlichkeit für Barrieren auch in den Köpfen zu sensibilisieren, damit diese abgebaut werden.“ 

Im Landkreis Alzey-Worms arbeitet der Behindertenbeirat seit 2011 an diesen Zielen. Er besteht aus 26 Mitgliedern. „Wir sind ein Teil der Gesellschaft, aber Menschen mit Behinderung sind in der Öffentlichkeit zu wenig präsent. Deshalb ist der Punkt Bewusstseinsbildung ein wichtiges Ziel in unserem Aktionsplan,“ betonte Beirats-Sprecherin Nina Becker: „Ich freue mich sehr, dass heute so viele Interessierte bei unserer Veranstaltung mit dabei sind.“

Gleich zwei beeindruckende Lebensgeschichten waren an diesem Abend zu erleben: Die von Louis Braille, einem mit sechs Jahren erblindeten Jungen, der durch die Unterstützung eines Pfarrers nach Paris an die staatliche Blindenschule kam. Dort entwickelte er mit zwölf Jahren gemeinsam mit einem Freund die Sechs-Punkte Schrift.

Und die Vita von Thomas Zwerina, der im Laufe seines Lebens erblindete. Der heute 59-Jährige studierte Anglistik und Germanistik an der Justus-Liebig-Universität Gießen. 2018 erblindete er vollständig. „Plötzlich hat alles Sinn gemacht“, sagt Thomas Zwerina zu der Situation, als er den Vertrag für seinen ersten Roman in der Tasche hatte. Vielleicht sei sein Leben eben so verlaufen, damit er als erblindeter Mann eine Geschichte zu der Person erzählen darf, von der man heute weiß, dass sie Millionen sehbehinderten und blinden Menschen die Freiheit zu Lesen und vor allem auch zu Schreiben gegeben hat.

Interessiert lauschten die Zuhörerinnen und Zuhörer den spannenden Textpassagen aus „Eine Fingerkuppe Freiheit“, die Thomas Zwerina im Wechsel mit seiner künstlerischen Partnerin, Evi Lerch, vortrug. Anita Odhiambo, Mitarbeiterin der Buchhandlung C. Machwirth Schmitt& Hahn hatte die Moderation der Veranstaltung übernommen. 

Heute kaum vorstellbar, verbrachte Autor Thomas Zwerina aufgrund seiner Erkrankung nach dem Besuch der dritten Grundschulklasse anderthalb Jahre ohne schulische Bildung zu Hause. Der Weg des wissbegierigen Jungen zurück an seine alte Schule wurde ihm aufgrund der damals fehlenden inklusiven Praxis verwehrt. Er solle eine Schule für Lernbehinderte besuchen. Weitere Unterstützung bekamen er und seine Familie nicht. Über eine Sehbehindertenschule in Stuttgart kam Thomas Zwerina mit 17 Jahren an die Deutsche Blindenstudienanstalt in Marburg und erlernte dort die Blindenschrift. Hier wurde  Zwerina schlagartig klar: „Du musst unbedingt diese Schrift lernen. Das ist der Ausweg für dich. Du willst einmal für dich selbst sorgen können.“ Denn seit der Entwicklung der Braille-Schrift oder auch Sechspunkt-Schrift können sehbehinderte und blinde Menschen mit einem einfachen System nicht nur selbstständig lesen, sondern auch schreiben. „Eine Fingerkuppe Freiheit“ ist eine Art Metapher und gleichzeitig eine spannende Hommage an den jungen Franzosen Louis Braille, der im 19. Jahrhundert -  auch gegen zahlreiche Widerstände - den Weg hin zu ein bisschen mehr Selbstständigkeit für viele sehbehinderte und blinde Menschen ebnete.