Barrieren erkennen - Teilhabe fördern: Behindertenbeirat unterwegs in Gau-Odernheim

Sensibilisieren und Optimierungen anregen ist das Ziel - Im aktuellen kommunalen Aktionsplan des Behindertenbeirates des Landkreises Alzey-Worms zum Thema Inklusion sind Ortsbegehungen in Kommunen des Landkreises ein wichtiges Thema. Hierbei besteht für die einzelnen Kommunen die Möglichkeit, eine Verbesserung der Barrierefreiheit im Praxistest zu erarbeiten. Wie barrierefrei ist Gau-Odernheim? Dieser Frage ging der Behindertenbeirat bei einer Begehung der Petersberggemeinde mit einer Person im Rollstuhl, einer Person im Rollator und einer blinden Person nach.

Denn zu hohe Bordsteinkanten, fehlende Markierungen für Sehbehinderte und blinde Personen oder weiche Kieswege, in denen die Räder von Rollstuhl und Rollator einsinken, sind für beeinträchtigte Menschen wahre Hindernisse im öffentlichen Raum. Der Rollstuhl kommt häufig nicht weiter, der Rollator muss erst mühsam angehoben werden und auch mit einem Kinderwagen ist das Passieren schwierig. Aber es gibt auch sehr gute, gelungene Beispiele der Umsetzung von Barrierefreiheit, die Modellcharakter haben. Gau-Odernheim hat schon vorbildlich agiert und viel zur Schaffung von Barrierefreiheit getan. Die sanierte Petersberghalle, das Rathaus und der barrierefrei gestaltete Friedhof sind hierfür Beispiele. 

Gemeinsam mit Landrat Heiko Sippel, Ortsbürgermeister Heiner Illing, Verbandsbürgermeister Steffen Unger, Gösta Riemer, Reiner Jakobs und Peter Dörrie vom Behindertenbeirat, Mitarbeitern von Kreis- und Ortsverwaltung sowie interessierten Bürgerinnen und Bürgern wurden Wege, Plätze und öffentliche Einrichtungen in Gau-Odernheim auf ihre Zugänglichkeit unter dem Gesichtspunkt der Barrierefreiheit getestet. Betrachtetet wurden Wege zu Arztpraxen, Apotheke, Spielplatz, Bushaltestelle und zu Kirche und Friedhof.

„Dieses Programm des Behindertenbeirates läuft seit mehreren Jahren in unterschiedlichen Ortsgemeinden im Landkreis. Wir haben uns beworben und sind froh, dass wir heute an der Reihe sind“, betonte Ortsbürgermeister Heiner Illing bei der Begrüßung der Anwesenden. „Wir sind kein Kontrollgremium. Ziel der Begehung ist es, Barrieren im Alltag sichtbar zu machen und gemeinsam mit den Verantwortlichen vor Ort Lösungen zu entwickeln“, informierte Landrat Heiko Sippel

Der Rundgang startete an der Petersberggalle, führte über den dortigen Kinderspielplatz, durch den alten Ortskern, über den Friedhof, vorbei an der Kirche bis hin zum Rathaus, wo ein Auswertungsgespräch mit Ortsbürgermeister Heiner Illing stattfand. 

„Für Kinder mit Kommunikationsschwierigkeiten wäre es eine große Hilfe, wenn es auf dem Spielplatz zum Beispiel Tafeln mit einfachen Piktogrammen gebe“, regte Peter Dörrie, der selbst Vater eines beeinträchtigten Kindes ist, an. Gösta Riemer, der im Rollstuhl sitzt, bekräftigte, dass häufig bei der Umsetzung von Barrierefreiheit nur an Gehbehinderte gedacht werde. Dabei sei damit die Teilhabe alller Menschen am täglichen Leben gemeint. Neben den gekiesten Wegen auf dem Spielplatz, die für Kinderwagen, Rollstuhlfahrer und Rollatoren nur schwer nutzbar sind, zeigte sich auch der Zugang zu einer Arztpraxis als Problem. Hier mussten mehrere Stufen überwunden werden. Die örtliche Apotheke, die in einem historischen Gebäude, ebenfalls mit Stufen im Eingangsbereich zu finden ist, bietet eine Lösung:  Ein Klingelknopf kann bei Hilfebedarf betätigt werden. Doch auch für Blinde wird es an manchen Stellen in Gau-Odernheim schwierig. An Orten, wo der Bürgersteig für Rollstuhlfahrer abgesenkt ist, fehlt es oft an Markierungen, dass eine Straße beginnt. Vorbildlich barrierefrei ausgebaut ist die örtliche Bushaltestelle mit einem Bodenleitsystem. Genauso wie der Gau-Odernheimer Friedhof. Dieser ist vor wenigen Jahren barrierefrei umgestaltet worden und bietet breite, gut zugängliche gepflasterte Wege. Ein Bodenleitsystem insbesondere vor der Friedhofskapelle wäre hier eine sinnvolle Ergänzung.

Möglichkeiten zur Information über die lokalen Gegebenheiten auch im Sinne der Barrierefreiheit bietet die Website OpenStreetMap. „Hier kann jeder Nutzer zusätzliche Informationen über lokale Gegebenheiten hinterlegen“, regte Dörrie an. 

Ortsbürgermeister Illing wird den barrierefreien Ausbau der Ortsgemeinde gemeinsam mit dem Ortsgemeinderat intensiv weiter forcieren: „Die Kirche ist aktuell nur von der Rückseite aus barrierefrei zu erreichen. Die Ortsgemeinde hofft, ein Gartengrundstück erwerben zu können, über dieses dann auch ein barrierefreier Zugang von der Vorderseite aus realisiert werden kann“, berichtet Illing. Eine innerörtliche Verkehrsberuhigung könnte mittels einer Ortsumgehung erreicht werden. „Als die Ortsmitte mit Parkplätzen, der Straße zur Petersberghalle und zum Sportplatz, Apotheke, Ärzten und Geschäften vor vielen Jahren geschaffen wurde, stand das Thema Barrierefreiheit leider weniger im Mittelpunkt. Nach und nach versuchen wir, hier Optimierungen für alle zu schaffen“, betont Illing. „Oftmals fehlt es bei der Umsetzung von Barrierefreiheit einfach an Sachwissen. Wir haben hier als Gesellschaft in den vergangenen Jahren schon viel dazugelernt“, so Steffen Unger.

 

BU: Der Spielplatz in Gau-Odernheim war eines der Ziele bei der Begehung des Behindertenbeirates. Foto: Simone Stier/Kreisverwaltung Alzey-Worms